Die Geschichte eines Stammtisches
Die Legende
Es begab sich im Jahr Hundertundachtunddrölfzig vor Domina, als der wandernde BDSM-Meister Hau Zu beschloss, dass es an der Zeit sei, seine Wanderschaft zu beenden. Und so kehrte er ins nächstbeste Wirtshaus ein, bestellte sich einen Krug Met und eine ordentliche Portion was auch immer mit viel avec, lehnte sich zurück, lauschte der Musik, starrte ins prasselnde Kaminfeuer und dachte bei sich: "Na bitte. Das hat doch was." Also trank er und speiste und wollte sich dann unterhalten. War aber niemand da. Und da dachte sich Hau Zu: "Kann man schon so machen. Wäre aber mit mehr Leuten noch besser." - und so lud er beim nächsten Mal ein paar Leute ein, die sich auch irgendwie mit diesen seltsamen Sachen namens "BDSM" und "Fetisch" und ähnlichem Kram befassten, und so war dann also die Idee der Zusammenkunft von Gleichgesinnten in der Welt.
So oder ähnlich könnte es gewesen sein.
War's aber nicht.
Also, soweit wir wissen...
Bildreferenz: Harz bei Zorge, 2021, eigene Aufnahme
OK: Wie es wirklich war
Irgendwann einmal 2006 gab es "unseren" BDSM-Stammtisch. Den hatte jemand gegründet, der dann nicht mehr dabei war. Der Stammtisch lief zunächst in einer Kneipe in Stade, die es längst nicht mehr gibt. Der Stammtisch ist dann einfach eine Tür weiter gezogen. DEN Laden gibt es inzwischen auch nicht mehr. (Eh! Wir waren das nicht, wir haben nix gemacht, ehrlich!). Also, das Gebäude gab's natürlich weiterhin, aber draußen kam ein neuer Name dran, drinnen wurde neu gestrichen und ein bißchen umgeräumt, neue Speisekarte, der ganze Zinnober halt - und wir? Ach, wir wurden einfach behalten, weil wir eh jeden Monat in dem Laden saßen, alle hatten sich an uns gewöhnt, wir gehörten quasi zum Inventar.
Unvergessen die tollen Abende im unbeheizten Wintergarten ohne elektrischen Strom: Bei Kerzenschein und mit Kuscheldecken, dafür aber waren wir unter uns im Glashaus... oder auch die Abende im Außenbereich mit lautstarker Ibiza-Techno-Beschallung (das Erlernen einer Zeichensprache erschien plötzlich sehr sinnvoll).
Bis zum März 2020 hat der Stammtisch mit allen Höhen und einigen Tiefen dann in diesem Restaurant bestanden - und dann kam das böse C. (Alle so: BUUUUUH!) und damit das vorübergehende Aus für den Stammtisch. Keiner wußte, wie lange die ganze PIIIEEEEP dauern würde. Manche meinten, drei Monate, andere unkten, ach, das kann auch gut ein halbes Jahr dauern. Es wurden dann bekanntlich drei volle Jahre... aber die klare Ansage von unserer Seite war: Stammtisch gibt's erst wieder, wenn alle einschränkenden Maßnahmen aufgehoben sind. Alle.
Nun gibt es den Laden, in dem wir uns bis Anfang 2020 getroffen haben, halt auch nicht mehr. Also, das Gebäude schon, aber da ist jetzt wieder ein anderer Laden drin. Unsere "Stammtisch-Lounge" ist den Umbaumaßnahmen zum Opfer gefallen, und da kann man jetzt nicht mehr wirklich gut einen Stammtisch machen.
Was wurde aus uns? Um es mit einem etwas abgewandelten Zitat von Morpheus aus "Matrix:Reloaded" zu sagen:
Und nach all dieser Zeit habe ich nicht vergessen, was das Wichtigste ist: Wir sind immer noch hier!
Egal, wie oft gesagt worden ist: "Ach, einen BDSM-Stammtisch in Stade, das haben schon ganz andere versucht..." - über zehn Jahre Bestehen und jetzt geht's weiter?!
Tja: Irgendwas müssen wir wohl richtig machen!
Bildreferenz: Elbe bei Hamburg, 2019, eigene Aufnahme